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27. Oct 2012 51

Gestern fuhr ich einkaufen ...

Zeitig am Morgen verabschiede ich mich von meinen drei liebsten Söhnen und der besten Ehefrau von allen – wiewohl sie seit 20 Jahren noch immer keine Ehefrau ist und verlasse das Haus so gegen 0630 Uhr. Vergesse sicherheitshalber mein Navi und fahre zum Flughafen.
Checke bei einem überaus freundlichen Automaten ein, er kennt sogar meinen Namen, kaufe in einem Zeitschriftenhandel Fachliteratur, um im Flieger besser schlafen zu können.

Die Salesmamsell  zeigt sich ausgesucht unfreundlich und ich sinniere, ob man auch hier einen Automaten ...

Die Magazine tun ihren Job, nicke nach 10 Minuten Flugzeit ein, verpasse - gottseidank - die milden Gaben der Serviermaid und wache in Düsseldorf zur Landung auf.
Das humanoide Leihwagenpersonal gewährt mir gnadenhalber  ein Upgrade für meine Vergesslichkeit, muss meine Kreditkarte aufwecken, da der Gnadenakt nur mit Einsatz monetärer Mittel erreicht werden kann. Auf meine Frage, ob das Navi auch in den Niederlanden funktioniere, erhalte ich gnädigerweise die Auskunft, dass alle EU Länder auf der eingespielten CD verfügbar seien.

Wünsche auch diesmal die vollständige Automation ...
Finde den Parkplatz – Ford Focus C Max – Silber – innen Anthrazit – wie einfallsreich und verlasse nach ein paar Einrichtungshandgriffen das Parkhaus. Kenne das Ruhrgebiet wie meine Westentasche, mein Bio-Navi bringt mich auf die 31 nach den Niederlanden.
Habe auf der Autobahn genug Zeit, über den Tag, das Auto, mich und alles sonst zu philosophieren.
Müd ist der schon, der Focus, so bei 170 ists eigentlich aus, brummig der Motor, egal ist eh nur ein one day stand.
Navi ein – Zieleingabe – Ziel ungültig – ah, falsches Land – Länderauswahl : Deutschland – Tschechien – Polen – nix Niederlande.
Telefoniere mit Leihwagenfirma – Warenhausmusik – Werbung – eine verführerische Frauenstimme haucht im Tonfall "einzig Geliebter liebe mich jetzt" die Worte: im Moment sei man leider gerade nicht, aber man bemühe, es melde sich gleich – Musik –
Werbung – eine verführerische Frauenstimme haucht ...
Steuere eine Raststätte an, um meine geographische Orientierungsfähigkeit und das Fehlen der milden Gaben aus dem Flieger zu ergänzen.

Die pornomagazinartig eingeplisterten Straßenkarten verwehren mir den Blick auf mein Ziel und so wende ich mich an das Kassenweibchen  mit der Bitte die Schutzhülle zu entfernen.
Warum und wieso und das könne sie nicht. Könne oder dürfe sie das nicht? Mein Einwand, dass ich kein Kartenwerk erwerben werde in welchem mein Zielort möglicherweise nicht eingezeichnet sei –  es handle sich um ein kleines Dorf in den Niederlanden – und meine Versicherung, dass ich ganz bestimmt eine Karte kaufen werde, so ebendieses Dorf im Atlas existiere, fällt auf intellektuelle Wüste. 
Erst nach Rücksprache mit dem Supervisor – ausnahmsweise – öffnet die Kassenkraft – noch immer Ratlos – man sehe den Außenumschlag doch sowieso durch die Plisterung – die Verpackung.
Ich sehe im Register nach, finde den Ort und kaufe den Atlas, sie reicht ihn mir – nicht –, verschwindet in die Küche und kehrt nach geraumer Zeit mit meiner neu eingeplisterten Benelux Autokarte – diesmal rot verpackt – zurück.
Ich erwerbe an der Nebenkasse allerlei kulinarische Mogelpackungen und ein Evian still zum Preis eines Haubenmenues, kehre zum Auto zurück und richte mich neu ein.

Fahre aus dem Parkplatz, werde vom Gurtfiepen an meine Pflicht erinnert und nestle ein Käseschinkenbaguette aus dem serviettenlosen Papiersäckchen.

Was hat dieses Baguette doch für ein Dekolletee, dollybusterartig drängt förmlich der Schinken am Käse vorbei, erzeugt eine Bißgier, lässt keine Zeit für Freuen auf das Essen.

Reflektiere Wurstsemmelerlebnisse aus früheren Zeiten; Semmel durchgeschnitten Wurst hinein – aus – nicht mehr und nicht weniger, keine hypertrophen irgendwas – Schinkenkäsegurketomatemayobuttergeschmacklosigkeiten.

Füttere die Tiere am Mittelstreifen und zehre von meiner Wärmedämmung.
190 Kilometer nach Norden, links abbiegen und 40 Kilometer nach Westen  zu einem Mercedes Mechaniker.

Streife den Ford ab und setze mich in ein zum Verkauf stehendes 300SE Coupe – dunkelbordeauxrot –, nehme eine Nase voll Leder – bicolor Cognac – und Wollvelourteppich, labe mich am Wohnen.

Bitte den Mechaniker um eine Probefahrt, er sagt zu und so kann ich seine Zustandsbeschreibung überprüfen, fahre danach den Wagen auf eine Hebebühne. Auch im Souterrain passt alles  - ein ungeschweißtes unberührtes originales Auto. Ein leicht leckender Kühler, hier und da manch Altersleiden, mit einem großen Service leicht zu beheben, fünf Tausender später fährt ein bestens erhaltenes 300 SE Coupe wohin man will.
Das zweite Coupe trägt den Namen 280SE 3.5, Automatic, silbermetallic, Leder blau. Braucht ein Aufwachservice und neue Fassadenfarbe. Entspricht voll und ganz der Beschreibung. Fährt gänzlich unverbraucht, hat bloß einen neuen Auspuffendtopf und neue Radlager hinten nötig.

Der dritte im Bunde ist in Paris alt geworden, eine 300SE Limousine, grün, voll verchromte Fensterrahmen, Zweikreisbremse, grünes Armaturenbrett, unrestauriertes Wrack, Motor läuft, Schaltgetriebe, 100% komplett. Auch in diesem Fall stimmt alles, sogar Wagenheber und Unterstellböcke leben noch im Kofferraum.

Bezahle die Autos nach einer halben Stunde hin und her verhandeln. Die Preisdiskussion hat eher akademischen Charakter, da die Preise absolut vernünftig angesiedelt waren und wir zwei Schwarzfingernägel freuen uns beide an der perfekten Übereinkunft.

An elitärerer Knorzschuhlocation – Meilenwerk genannt – hätte das 300er Coupe solo  45.000.- Barschaft erfordert.
Ich verabschiede mich vom Mechaniker, ziehe mir den Focus über und kehre nach Düsseldorf zurück. 
Die 230 Kilometer vertreibe ich mir mit Focusforschung, stinkt nicht nach billigem Plastik obwohl es aus Kunststoff gemacht sein dürfte, die Qualitätsanmutung  tadellos – das neue wundervolle Wort symbolisiert unsere neue Zeit: So tun als ob es Qualität hätte, das Ding.

Und dann die Offenbarung aus dem Bordcomputer: Hatte es eilig  und eilig heißt teuer.
Dieses Ding aus unserer aktuellen Welt braucht bei 170 KM/H  18,6L auf 100 KM. Das ist schon ein Fortschritt, da vor 23 Jahren ein 560SEL  bei 230 KM/H auch so vielkonsumierte. 
Ford – die tun was: Gleicher Spritverbrauch bei 60 KM/H weniger.
Die Nachrichten – was für eine wohltuende Unterbrechung der Werbung – gemahnen mich heute schon dreimal – endlich mein altes Auto zu entsorgen, dafür mit 2.500.- belohnt zu werden, so ich mich entschlösse ein neues sauberes Automobil zu erwerben. Dieses neue Automobil rette uns alle aus der Weltwirtschaftskrise und dann wäre alles wieder gut, höre ich die heilige Angela sagen.

Ich wohne Angelas Predigt nicht länger bei und verlege mich aufs Denken.
Habe vor ein paar Stunden drei mehr als 35 Jahre alte Autos gekauft – nicht addiert, jeder für sich über 35 – mitten in der Krise, allen weisen Ratschlägen zum Trotz, so gewissenlos drei Stinker vor dem Schafott gerettet.

Diese Autos haben sich  durch die fünfmalige Nichtproduktion neuer Autos alle Ehren erworben, böse, katalysatorlose CO und CO2 Emissionen aus dem Auspuff auf die Umwelt loszulassen.
Im Allgemeinen haben moderne Kraftfahrzeuge einen Lebenszyklus von 8! – ACHT – Jahren (habe ich mir nicht aus den Fingern gesogen, war die Aussage eines Cheftechnikers einer deutschen Premiummarke) ein Lebensalter wie ein Zwergkaninchen für ein "Hunderttausendteilepuzzle". Und so ein Hunderttausendteilepuzzle wird aus Teilen zusammengesetzt welche überall auf der Erdoberfläche verstreut liegen, viele in China, manches in Osteuropa, einige aus Indien, auch aus den USA kommen Puzzlestücke um das Wunder Auto zu einer Skulptur zu formen.

So hat ein neues Ökoauto bevor es die Endkontrolle passiert schon ca. 1 Million Kilometer an Reise hinter sich gebracht, weil das Einsammeln der Teile irgendwo auf unserem Globus noch immer billiger ist, als die Teile dort zu produzieren, wo sie montiert werden.
Erinnere mich an eine auf der Veterama erstandene Lieferantenliste der PKW Produktion aus den 60er Jahren. Darin fanden sich so renommierte Unternehmen wie Bosch für die elektrischen Anlagen und die Einspritzsysteme, VDO für Uhren und Tachometer, ATE für die Bremsen, Kamax für alle Schrauben, Behr für alle Kühler und alles war Made in Germany. Das war ein Qualitätsausweis der Sonderklasse – heute ist das garnix mehr wert. 

Entsinne mich an den manuellen Fensterheber an dem von mir gekauften 300SE. Wrack. Baujahr 1964. Zum Ausschlachten. Stand 20 Jahre hinter einer Scheune in einem Pariser Vorort. Zwei Umdrehungen. Fenster unten. Zwei Umdrehungen. Fenster oben. Mit zwei Fingern. Ohne Kraftaufwand. Zahnradgetriebe. Unzerstörbar. Geht immer. Schachtleistendichtung friert und klebt nie an. Feinhaargewebe.

Und entsinne mich an eine kürzlich instand gesetzte Fensterhebemechanik an einer W211 Türe. Gesteckt. Geklammert. Genietet. Plastikseilrolle. Kunststoffumlenkrollen. Wiegt alles zusammen 153 Gramm. Hält 2,5 Jahre. Beim kleinsten über einen vorausberechneten Limes hinausgehenden Kraftaufwand – Exitus.
Aber – wird die heilige Angela anmerken – wo bleibt die Produktion? Wo die Arbeitsplätze? Wo das BIP? Wo der Wohlstand?
Aber – werde ich anmerken – wo bleibt unser Planet? Wir haben bloß den Einen! 
Oder gibt uns Angela eine Abwrackprämie für das Auslaufmodell Erde? Wo bleibt das CO2? Wo der Transportirrsinn? Wo alle Produktionsroboter? Wo die Qualität? Wo die Nachhaltigkeit?
Und wo bleibt – zu allem Überfluss – der Mensch?
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Kommentare

Mercedes-Reiter-Historic-Racing-Team
28. Oct 2012

Wie recht Du doch hast ! Wir sind täglich mit diesem Wahnsinn konfrontiert - er sichert ja die Arbeitsplätze meiner Leute - aber ganz ehrlich Spaß macht das nicht ! Vor allen Dingen erklär mal jemand der seit zum Teil 50 Jahren Benz fährt
das das ganz normal ist das nach Ablauf der Garantie das Auto auseinanderfällt. Wir werden jedenfalls die Konsequenz daraus ziehen und unseren Stern an den Konzern zurückschicken. Die Arbeitsplätze können wir auch hoffentlich mit der Instandhaltung von echten Autos sichern, weil unsere Leutchen noch gelernt haben Teile zu reparieren und nicht nur nach Anschluß eines Computers auszutauschen.
Mein Team und ich würden uns sehr freuen mit Dir in näheren Kontakt zu tretten, den wir denken das man auch im kleinen einiges Bewegen kann und nicht unbedingt dem Meilenwerkwahnsinn verfallen muß !

Ölige Grüße aus München

Udo

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